In der Nähe der Krickenbecker Seen, von der Straße aus gut sichtbar, steht auf dem Vorplatz des Hinsbecker Textilmuseums, bekannt unter dem Namen „DIE SCHEUNE“, eine inzwischen schon leicht verwitterte Skulptur aus rotem Eifleler Tuffstein.
DIE SCHEUNE gehörte zu einem kleinen bäuerlichen Anwesen, in alten Karten eingetragen unter dem Namen „Alt-Kämpken“. Das Anwesen zwischenzeitlich nicht mehr bewohnt und sehr verwahrlost, wurde vom Textilingenieur Walter Tillmann gekauft und restauriert. Das Wohnhaus, instand gesetzt, wurde wieder als Wohnung nutzbar gemacht, die dazugehörige Scheune, etwas zweckentfremdet, dient seit der Zeit als Museum.
Benno Schmitz, Steinmetzmeister und Neuhinsbecker, fertigte ohne Auftrag, nur aus Spaß an der Arbeit, möglicherweise auch um sein Können zu zeigen, eine Skulptur. Diese stellte er mit Billigung des Eigentümers auf besagtem Platz des Eigentümers als Demonstrationsobjekt auf. Aus Sicherheitsgründen wurde sie fest verankert auf einem Betonsockel und wie für die Ewigkeit gedacht, aufgestellt. Als die vorgesehene Zeit der Demonstration zu Ende war und die Demotage der Skulptur anstand, schien Benno Schmitz der Aufwand für diese Arbeit zu groß. Auch das Risiko einer Beschädigung einkalkuliert, setzte er sich mit Walter Tillmann ins Einvernehmen. Der hatte keine Einwände, die Skulptur, allein schon als Blickfang, stehen zu lassen. Die vorhergesehenen Abbrucharbeiten kamen daraufhin gar nicht erst in Gang.
So steht sie denn auch heute noch auf ihrem angestammten Platz.
Im Laufe der Jahre kam es immer wieder vor, das Walter Tillmann von Hinsbecker Bürgern, von Wanderern oder auch von Museumsbesuchern gefragt wurde, was diese Skulptur aussage, was sie bedeutete, ob sie einen Namen habe.
Obwohl er sonst sehr viel weiß und dieses, sein Wissen, auf die unvergleichbare Tillmannche Art an den Mann, die Frau bringen kann; auf diese immer wieder gestellte Frage, wusste er nichts zu sagen. Irgendwann, irgendwo, ergab sich für Walter Tillmann die Gelegenheit, den Künstler diesbezüglich selbst zu fragen. Die Antwort war eine Enttäuschung. Benno Schmitz sagte ihm, er habe sich darüber nie Gedanken gemacht. So blieb die Skulptur auch weiterhin, und noch lange Zeit, namenlos.
Dies änderte sich während einer der Gruppenführungen.
Eine Schulklasse kam zum Museum, sich die gesammelten Schätze anzusehen und etwas zu erfahren. Walter Tillmann hatte wie immer viel zu erzählen, und weil sein Erzählen jederzeit sehr unterhaltsam ist, kam selbst bei den Schülern nie Langeweile auf. Alle waren ganz Ohr.
Wie alles, geht auch jeder Museumsbesuch zu Ende. Einzeln oder in Gruppen begaben sich die Kinder, lachend, scherzend, und durcheinander redend, nach draußen. Hier fanden sie nun Zeit, sich in Ruhe die Skulptur auf dem Vorplatz anzusehen. Dabei kam, wie bei Erwachsenen auch, immer die wieder gestellte Frage auf: Was ist denn das? Damit war, was noch keiner ahnte, für die bis dahin Namenlose der Zeitpunkt der Namensgebung gekommen.
Einer der Schüler nahm vor der Skulptur, und zwar an der von der Straße abgewandten Seite, Aufstellung. Wie mit Kennerblick besah er sich das Kunstwerk, machte mit beiden Händen eine Bewegung, gleich der, wie wenn Jungen erklären, wie grazil ihre Freundin gewachsen ist. Dabei sagte er, ohne lange zu überlegen: „ Das ist eine Geige!“ Rundum herrschte andächtiges Schweigen. Er war der Klassenprimus und genoss bei allen Mitschülern höchste Anerkennung. Sein Wort war allen Evangelium. Als, wie erwartet, von den Mitschülern kein Widerspruch kam, ging er Richtung Straße, betrachtete auch von der Seite das Steingebilde mit kritischem Blick, machte wieder eine Handbewegung, der ersten gleichend, jetzt allerdings nur eine einzelne Rundung andeutend, und ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: „Das ist ein Arsch!“ Die Lehrerin, leicht verlegen, Walter Tillmann eher erstaunt, hörten dann die daraus zu ziehende, sehr plausible Schlussfolgerung, und damit auch die Antwort auf die so oft gestellte Frage: Was ist das? Mit dem Finger auf die Skulptur deutend und mit Überzeugung in der Stimme hörte man ihn sagen: „Das ist eine ......“